Das versunkene Land von Elahuizen
1680 staute der Wind das Wasser in Friesland so hoch auf, dass ein ganzes Dorf in den Fluten versank. Im Fluessen, dem zweitgrößten See Frieslands, liegt ca. 150 Meter vom Ufer entfernt eine unübersehbare schwarz-gelbe Boje im Wasser, die daran erinnert. Sie markiert die Stelle, an der früher die Kirche des Dorfes Elahuizen stand. Wohlgemerkt stand, denn inzwischen erstreckt sich dort der Fluessen und das gesamte frühere Dorf liegt unter Wasser. Aber wer mit seinem Boot dort hinfährt und ganz genau hinhört... schlug da nicht gerade die Kirchturmuhr? Wir tauchen ein in die außergewöhnliche Geschichte über das versunkene Land von Elahuizen.
SELBST VERURSACHTE KATASTROPHE
Versetzen wir uns zurück in die Eiszeit. Gletscher aus Skandinavien schoben sich landeinwärts und bildeten auf diese Weise die Hügellandschaft im Gaasterland. Sie schufen allerdings auch langgestreckte Senken. In diesen Senken finden wir heute das Heegermeer und die Seen Fluessen und Morra. Nach den Eiszeiten war das Land von einer vier bis fünf Meter dicken Torfschicht überzogen. Bauern gruben Entwässerungsgräben, um das sumpfige Gebiet trocken zu legen und urbar zu machen. Die Geländehöhe sank, die Moorlandschaft wurde zu Ackerland. Allerdings wurde Südwestfriesland dadurch anfällig für Überschwemmungen, die oft auch vom Meer ausgingen. So gaben die Torfstecher das Gebiet unwissentlich den Naturgewalten preis. Dort, wo Meerwasser hinkam, war das Land für die Landwirtschaft verloren. Allerdings konnte man dort Salz gewinnen. Die Namen mancher Seen, z. B. Sâltpoel, Brandeburen und Brandemar, erinnern heute noch an die Salzgewinnung, die hier stattgefunden hat. Bodenabsenkungen, Torfgewinnung, Erosion waren neben Wald- und Moorbränden mit ausschlaggebend dafür, dass die Seen auf rigorose Weise immer größer wurden.
EINST WALD, JETZT SEE
Wenn man heute den Fluessen sieht, kann man sich kaum vorstellen, dass dieses Gebiet des 1210 vor allem aus Wald und Sumpf bestand. Das inzwischen versunkene Elahuizen gehörte gemeinsam mit den Dörfern Kolderwolde, Oudega und Nijega zu einem Landstrich, der aus diesem Grund passenderweise „De Walde“ genannt wurde. In dieser Gegend lag ein Wald mit dem Namen Fluezen. Der Moorboden fing häufig Feuer und verwandelte sich nach und nach bis tief in den Boden zu Asche. Da der Boden dadurch absagte, entstand an dieser Stelle ein kleiner See. Im Laufe der Zeit bröckelten die Ufer immer weiter ab und der See wurde durch die bereits genannten selbst verursachten Überschwemmungen immer größer. So entstand der Fluessen-See (offizieller friesische Name: Fluezen). Heute ist er der zweitgrößte See Frieslands.
ELAHUIZEN VERSUNKEN
Elahuizen war ein 6 km langes Straßendorf, das sich an dem sich immer weiter ausweitenden See erstreckte. Es ist eines der Dörfer, die durch die selbst verursachten Überschwemmungen von dem immer größer werdenden See geschluckt wurden. In alten Chroniken lesen wir, dass die Wellen des Fluessen dem Dorf schon 1543 auf bedrohliche Weise zusetzten. 1578 war es erneut so weit. Im Jahre 1649 richteten die reißenden Fluten so viel Schaden an, dass die friesischen Landesherren Geldmittel für den Wiederaufbau der Kirche bereitstellten. Vergeblich. 1652 mussten die Kirche und der Friedhof um einige hundert Meter weiter nach Süden verlegt werden. Damit war der Leidensweg von Elahuizen aber noch nicht zu Ende. Gut 30 Jahre später wurden Kirche und Friedhof auch an der neuen Stelle von den Fluten erfasst. Elahuizen versank und wurde für immer ausgelöscht. Möchten Sie mehr über das versunkene Land von Elahuizen erfahren? Dann besuchen Sie die Ausstellung „Versunkenes Land“ im Besucherzentrum Mar & Klif in Oudemirdum.
Besuch Mar & KlifAUS NIJEGA WURDE ELAHUIZEN
Das Elahuizen, das wir heute kennen, ist eigentlich das frühere Nachbardorf Nijega. Denn weil Elahuizen bereits größtenteils in den Fluten verschwunden war, wich man immer mehr auf das Nachbardorf Nijega aus. Die niederländische Post schlug 1967 vor, dass Nijega den alten Namen Elahuizen annehmen sollte. Denn die Post musste sich in Friesland mit drei Nijegas herumschlagen, was entsprechend Verwirrung stiftete. Immer wieder wurde die Post im falschen Dorf abgeliefert. Und so geschah es: Nijega wurde zu Elahuizen und damit gibt es wieder ein Elahuizen auf der Landkarte. Auch das Dorfwappen von Elahuizen erstrahlt wieder im alten Glanz. Es zeigt ein mittelalterliches Schiff das über ein grünes Meer fährt, beschienen von einer goldenen Sonne und einem silbernen Mond. Im Fluessen selbst markiert eine schwarz-gelbe Boje die Stelle der überfluteten Kirche. Auf Karten ist diese Untiefe im See auch als „Alter Friedhof“ gekennzeichnet.
ÜBER WASSER HALTEN
Heute ist Elahuizen (also eigentlich das Nachbardorf Nijega) ein blühendes Dorf. An die 350 Menschen leben dort. Das Gemeinschaftshaus mit dem prächtigen Namen „Us Nije Gea“ erinnert an den früheren Ortsnamen Nijega. Auch eine eigene Kirche gibt es wieder in Elahuizen, auch wenn das Dorf mit Gotteshäusern in der Vergangenheit eher Pech hatte. Die alte Kirche von Elahuizen (also eigentlich Nijega) war 1857 derart verfallen, dass sie abgerissen werden musste. Die neue Kirche, die sofort danach errichtet wurde, fiel schon 1864 einem Blitzeinschlag zum Opfer und brannte aus. Noch im gleichen Jahr öffnete die heutige Kirche ihre Pforten. Diese wurde als sogenannte Waterstaatskirche gebaut. Waterstaat ist kein offizieller Baustil. Man bezeichnet damit niederländische Kirchengebäude, die zwischen 1824 und 1875 unter der Aufsicht des staatlichen Wasserwirtschaftsamtes (Rijkswaterstaat) gebaut wurden. Am Eingang ist das Wappen von Elahuizen zu bewundern, das an das beschwerliche Leben eines Seemanns erinnert: Tag ein, Tag aus musste er arbeiten, um sich – buchstäblich – über Wasser zu halten.
VERSUNKENES GEHÖFT
Nicht nur das Dorf Elahuizen verging bei einem großen Sturm. Am anderen Ufer des Fluessen findet man unweit von 't Heidenskip das Naturgebiet Aent Lieuwespolder. Dort sieht man im Wasser ein Kunstwerk in Form des Dachfirstes eines Bauernhofs. Bei einem großen Sturm im Jahr 1825 versank der Hof „De Wolvetinte“ in den Fluten. Das Kunstwerk erinnert an dieses vergangene Stück Land. Der Hof selbst wurde ein Stück weiter neu errichtet. Dort kann man eine Mini-Ausstellung mit archäologischen Fundstücken aus jener Zeit besuchen. Das Naturgebiet um De Wolvetinte ist ein besonderer Ort. In der weiten Landschaft brüten bevorzugt Säbelschnäbler, Kiebitze, Regenpfeifer und Austernfischer. Auch Kampfläufer sowie einige Zugvögel kann man am Beobachtungspunkt sichten.
Besuchen Sie die Mini-Ausstellung