Warftdörfer in Friesland
Bevor es Seedeiche gab, war das Küstengebiet von Friesland und Groningen nur schwer erreichbar, geschweige denn begehbar. Der Landstrich war sogar regelrecht gefährlich, denn Tag für Tag bahnte sich das salzige Seewasser seinen Weg. Trotz dieser Nachteile und Gefahren übte der Küstenstreifen immer schon eine große Anziehungskraft auf Menschen aus. Vielleicht weil es dort Nahrung im Überfluss gab: Fisch und andere Meerestiere sowie Vögel. Um trockene Füße zu bewahren, legten die „Waterländer“ von einst Warften an, auf denen sie wohnten. Hoch erhoben über dem fließenden Wasser wähnte man sich in Sicherheit. Das kleine Warftdorf Allingawier ist ein hervorragendes Beispiel für einen solchen Ort an der Küste, an dem sich Menschen niederließen. Das uralte Dorf entstand bereits im frühen Mittelalter. Heute gehört es zu den schönsten Warftdörfern, die man in Friesland findet.
ALLINGAWIER AUF DER LISTE DER ZEHN SCHÖNSTEN ORTE
Allingawier entstand auf einer Warft: einem höher gelegenen Stück Land, umringt vom Wasser. Es war ein echtes Fischerdorf, gelegen am Makkumermeer. Durch die Einpolderung fand sich das Dorf mitten in der Landschaft wieder. De Meermin (Die Seejungfrau), der Name der Dorfkneipe, erinnert noch an die Zeit, in welcher das Dorf am Wasser lag. Nach der Einpolderung entwickelte sich Landwirtschaft rund um das Dorf und breitete sich vor allem im 20. Jahrhundert aus. Was allerdings intakt blieb, war der Ortskern. In einem Jahr wurde Allingawier sogar als einer der schönsten Orte der Niederlande ausgezeichnet. Das malerische Warftdorf mit seiner Kirche auf der Warft und zwei denkmalgeschützten Häusern ist idyllisch gelegen im Moorweidegebiet von Waterland van Friesland. In dieser Gegend befindet sich die Wiege der friesischen Viehzucht, die zu Weltruhm gelangt ist.
ALLINGAWIER: GANZ WIE FRÜHER
Wer erleben möchte, wie Menschen damals lebten, ist nirgendwo besser aufgehoben als in Allingawier. Im Dorf herrschen die Ruhe und die Atmosphäre von anno dazumal. Der Dorfkern besteht aus kleinen Wohnhäusern und ein paar Bauernhöfen mit Schuppen und Scheunen. Die Kirche des Dorfes stammt aus dem Jahre 1634. Einst stand hier eine andere Kirche. Deren Glocke (von 1599) ist immer noch in der heutigen Kirche zu bewundern. Am Südrand von Allingawier errichtete die abgespaltene reformierte Gemeinde im Jahr 1893 eine eigene Kirche. In diesem Gotteshaus wird die Schöpfungsgeschichte eindrucksvoll dargestellt.
ENTSTEHEN DER WARFTDÖRFER IN FRIESLAND
Warften sind sichtbare Zeugen des menschlichen Kampfes gegen das aufrückende Wasser. Bevor es Deiche gab, überspülte das salzige Meerwasser der Middelzee geradezu täglich große Teile Frieslands. Das Gebiet zwischen Makkum, Bolsward und Sneek war um 800 V. Chr. eine Küstenzone. Auch hochgelegene Landstriche wurden bei hohen Wasserständen noch überspült. Dadurch wurden in einem großen Teil Frieslands in dieser Zeit Teile der Moorschicht abgetragen und mit Lehm überspült. Noch heute bezeichnet man das Gebiet als Lehmgebiet. Zwischen 500 und 250 v. Chr. schütten die Einheimischen kleine Hügel auf, um darauf ihr Haus zu bauen. Die Hügel werden mit Soden aus den Salzwiesen noch höher gemacht, um Schutz vor Überschwemmungen zu bieten. Heute nennt man sie Warften. Und eine solche Warft war ein Langzeitprojekt: immer mehr Plaggen wurden abgelegt, und auch die Abfälle (der Mist) blieb liegen. So wuchsen die Warften sowohl in die Höhe als auch in die Breite. So sehr, dass manche Warften, die nahe beieinanderlagen, zu einer großen Warft verschmolzen.
WARFTENLAND FRIESLAND
Als sicher gilt, dass es in Friesland über 1300 größere und kleinere Warften gegeben hat. Wahrscheinlich waren es sogar noch viel mehr. Weil die Warfterde sehr fruchtbar war, wurden viele Warften im 19. und 20. Jahrhundert abgetragen. In Südwestfriesland findet man neben Allingawier noch weitere Warften und Warftdörfer, z. B. Tjerkwerd, Parrega, Dedgum und Arkum. Aber auch der Ursprung von Piaam und Makkum lag in einem Warftdorf. Wenn Sie heute in der schönen Landschaft von Südwestfriesland unterwegs sind, achten Sie einmal darauf, ob Sie eine Gruppe von Bauernhöfen nebeneinander oder eine Erhöhung in der Landschaft sehen. Sie haben dann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine ehemalige Warft entdeckt. Vielleicht erkennen Sie ja die Warften von Dedgum und Arkum auf Ihrer Warft- und Hemmdeichwanderung.